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Schwedens Rolle rückwärts: vom Vorreiter der Bargeldlosigkeit zum Verfechter von Bargeld

Schwedische Krone Münze und Geldscheine.

Lange Zeit galt Schweden als das Musterland der digitalen Revolution im Zahlungsverkehr. Schlagzeilen von der bevorstehenden Abschaffung des Bargelds machten die Runde. Doch nun vollzieht das skandinavische Land eine bemerkenswerte Kehrtwende. 

tl;dr: Schweden, einst Vorreiter beim bargeldlosen Bezahlen, macht eine Kehrtwende! Grund dafür sind Sorgen um nationale Sicherheit (Cyberangriffe), Notfallvorsorge (Krisen), finanzielle Inklusion älterer/ausgeschlossener Gruppen und ein Umdenken der Zentralbank (Riksbank). Sie wollen Bargeld wieder stärken. Deutschland hängt mehr am Bargeld und sieht dessen Wert für Privatsphäre und Krisenfestigkeit. Schweden zeigt, dass eine rein digitale Welt Risiken birgt und Bargeld wichtig bleibt.

Was hat das Land, das einst so enthusiastisch auf die bargeldlose Zukunft setzte, zu diesem Umdenken bewogen? Mehrere Faktoren spielen hier eine entscheidende Rolle:

  • Die nationale Sicherheit und Cyberangriffe: Die geopolitische Lage, insbesondere der Krieg in der Ukraine und die Angst vor Cyberattacken, haben die Vulnerabilität einer fast rein digitalen Zahlungsstruktur deutlich gemacht. Da Schweden und Norwegen weltweit mit die geringste Bargeldzirkulation im Verhältnis zum BIP aufweisen, stellen sie attraktive Ziele für Cyberkriminelle dar. Ein flächendeckender Ausfall des digitalen Zahlungssystems könnte im Krisenfall verheerende Folgen haben. Die schwedische Zentralbank (Riksbank) sieht die Anfälligkeit des digitalen Zahlungsverkehrs bei Stromausfällen oder Cyberangriffen als ein kritisches Sicherheitsdefizit.
  • Krisenvorsorge und Resilienz: Bargeld wird als unerlässliche Notfalllösung in Krisenzeiten angesehen, wenn digitale Systeme versagen könnten. Das schwedische Verteidigungsministerium hat dies erkannt und die Bürger in einer landesweiten Broschüre dazu aufgerufen, wieder regelmäßig mit Bargeld zu bezahlen und einen Vorrat für mindestens eine Woche anzulegen. Auch Norwegen rät seiner Bevölkerung ähnlich. Die ehemalige norwegische Justizministerin Emilie Mehl betonte, dass Bargeld keine Notlösung mehr wäre, wenn es niemand mehr nutzt oder akzeptiert. Die Riksbank warnt, dass die notwendige Stabilität und Resilienz in Krisen mit rein digitalen Systemen nicht gewährleistet werden können.
  • Finanzielle Inklusion: Eine ausschließliche Fokussierung auf digitale Zahlungen kann bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgrenzen, insbesondere ältere Menschen oder Personen mit eingeschränktem Zugang zu digitalen Technologien. Die Riksbank betont, dass das Zahlungssystem für alle zugänglich sein muss.
  • Verlust der Bargeldlegitimität: Es besteht die Sorge, dass eine zu starke Gewöhnung an digitale Zahlungen dazu führen könnte, dass Bargeld in Krisenfällen seine Akzeptanz verliert und somit als Notfallinstrument unbrauchbar würde.
  • Umdenken der Zentralbank: Die schwedische Riksbank, einst ein Vorreiter der Bargeldlosigkeit, hat ihre Position deutlich revidiert und betont nun die unverzichtbare Rolle von Bargeld für ein sicheres und allgemein zugängliches Zahlungssystem. Sie sieht die Anfälligkeit des digitalen Zahlungsverkehrs als ein kritisches Sicherheitsdefizit und fordert Maßnahmen zur Sicherstellung der Bargeldnutzung.
  • Die wachsende Skepsis in der Bevölkerung: Umfragen zeigen eine zunehmende Skepsis in der schwedischen Bevölkerung gegenüber dem Rückgang des Bargelds und ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit, in bestimmten Situationen bar zahlen zu können. Viele sehen in Bargeld ein Mittel zur finanziellen Selbstbestimmung und zum Schutz der Privatsphäre.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, plant Schweden konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Bargeldnutzung, darunter die Prüfung einer gesetzlichen Verpflichtung für bestimmte Händler, Bargeld anzunehmen, die Wiederherstellung des Bargeldniveaus von 2017stärkeren Rechtsschutz für Bargeld und die Einrichtung von Bargeldstationen für Unternehmen.

Während Schweden in den vergangenen Jahren einen sehr hohen Grad an digitaler Zahlungsnutzung erreichte – 2023 zahlten laut Umfragen 90 Prozent der Schweden per Karte oder App – sieht die Situation in Deutschland anders aus. Hierzulande sind die Bürger ihrem Bargeld weiterhin treu. Laut Statistik werden noch immer 52 Prozent der Käufe mit Scheinen und Münzen getätigt. Die Deutschen lieben ihr Bargeld im europäischen Vergleich sogar deutlich mehr als andere Nationen.

Zwar setzen auch in Deutschland immer mehr Menschen auf bargeldlose Zahlungsmethoden, doch das Bewusstsein für die Bedeutung von Bargeld als „unverzichtbares Korrektiv im Zahlungsverkehr“ und als Instrument zur Wahrung der Privatsphäre ist weiterhin stark ausgeprägt. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) warnt bereits seit Längerem vor einer „Welt ohne Bargeld“ und betont dessen Inklusionsniveau und Schutz der Privatsphäre.

Im Gegensatz zu Schweden, wo nun aktiv Maßnahmen zur Stärkung der Bargeldnutzung ergriffen werden, steht eine vergleichbare staatliche Initiative in Deutschland aktuell nicht im Vordergrund. Für diese Initiative und den Erhalt von Bargeld setzt sich in Deutschland der Verein Bargeld zählt e. V. ein. Dennoch zeigen die Erfahrungen Schwedens, dass auch in einer hoch digitalisierten Welt die analoge alternative Bargeld eine systemrelevante Funktion behält, insbesondere in Krisenzeiten und zur Gewährleistung der Inklusion. Die Deutsche Bundesbank wird die Entwicklungen in Schweden sicherlich aufmerksam verfolgen.

Das Land hat erkannt, dass eine fast ausschließliche Abhängigkeit von digitalen Zahlungssystemen Risiken birgt, die nicht länger ignoriert werden können. Die Gründe für diese Neubewertung – von der nationalen Sicherheit über die Krisenvorsorge bis hin zur finanziellen Inklusion – sind gewichtig. Auch wenn Deutschland in Bezug auf die Bargeldnutzung eine andere Ausgangslage hat, so liefern die Erfahrungen Schwedens doch wichtige Denkanstöße über die Resilienz und die gesellschaftliche Bedeutung verschiedener Zahlungsmethoden in einer zunehmend digitalen Welt. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form diese Erkenntnisse auch hierzulande in die geldpolitischen Überlegungen einfließen werden.

Quellen:
Global environment puts pressure on payments system resilience | Sveriges Riksbank
Back to cash: life without money in your pocket is not the utopia Sweden hoped | E-commerce | The Guardian
Vom Vorreiter zum Rückkehrer: Schwedens Offenbarungseid zum Bargeld | PerfectMoney